Eine Geschichte aus dem Eis


Lucy Kägi BA



Das Bogenfutteral vom Schnidejoch-Pass

Was ist eigentlich ein Bogenfutteral? Woraus besteht es und wofür wurde es gebraucht? Der archäologische Sensationsfund wirft viele Fragen auf. Meine Animation beantwortet sie in einer poetischen und bildhaften Weise.


Gestalterisches Mentorat
Michael Stünzi 


Kooperationspartnerinnen
Giovanna Di Pietro
Johanna Klügl

2003 wurde beim Schnidejoch im Berner Oberland ein jungsteinzeitliches Birkenkork-Fragment geborgen, das etwa 4800 Jahre lange im Eis gelegen hatte und dadurch konserviert wurde. In langjähriger Arbeit wurde daraus ein Bogenfutteral rekonstruiert. Der Fund ist bis heute weltweit einzigartig und somit von grosser Bedeutung für die Wissenschaft und die Schweizer Bevölkerung.

In Zukunft wird es im Bernischen Historischen Museum ausgestellt. Eine Animation ist als begleitendes Vermittlungsmedium konzipiert; sie erleichtert den Zugang zum sonderbaren Objekt. Die Betrachtenden begleiten eine jungsteinzeitliche Figur von der Herstellung des Futterals über seinen Gebrauch bis hin zum Verlust. Dazu kommen informative Einschübe zu charakteristischen Besonderheiten. Durch die Verbindung von emotionaler und rein informativer Erzählweise wird ein breites Publikum angesprochen. Die Kurzanimation läuft in einer Wiederholungsschleife; der Einstieg ist an verschiedenen Stellen möglich. Der Erzählfluss zwischen den verschiedenen Teilen ist durch einen harmonischen Gestaltungsstil gewährleistet; farbige Szenen sorgen für bleibende Eindrücke.

Wissenschaftliche Erkenntnisse über den heutigen Zustand des Futterals bieten sich für eine Fortführung der Arbeit an. Die Präsentation würde somit vollständig.












IM MUSEUM




In Gesprächen kam oft die Frage auf, was ein Bogenfutteral ist. Schnell wurde mir klar, dass das Objekt für Laien nur schwer fassbar ist. Das intellektuelle und emotionale Repertoire, das Menschen mit ins Museum bringen, wollte ich berücksichtigen. Deshalb entschied ich mich dazu, mich auf die Zugänglichkeit des Fundstücks für die breite Masse zu fokussieren. Besuchende aus allen Generationen sollen in eine vergangene Zeitepoche eintauchen und die Geschichte über das Bogenfutteral kennen lernen.

Meine Animation soll inhaltlich zum Objekt hinführen und Fragen in einer erzählerischen Weise beantworten. Die bildhafte Geschichte ist universell verständlich und regt zum mitdenken an. Sie soll nicht belehrend sein, sondern vielmehr die Neugierde wecken. Begleitet wird die Animation rein musikalisch, durch für den Museumsraum konzipierte harmonische Klänge. Sie berühren emotional und unterstützen die Vermittlung auf der auditiven Ebene. 


Mögliche Form der Ausstellung   |   In Zukunft im Museum – das Bogenfutteral









AUSGANGSLAGE



Dass Bogenfutteral hat mehrere Geschichten zu erzählen. Neben Objekt und Material gibt es auch interessante Themen zu Klima und Konservierung. In meiner Bachelorarbeit begrenze ich mich auf die Geschichte des Bogenfutterals und dessen Material.
Nach einer ersten inhaltlichen Auseinandersetzung untersuchte ich Birkenkorkstücke. Experimente und genaues Beobachten derrer Textur gaben mir ein Gefühl für das Material.


Bsp. erste inhaltliche Skizzen zu Birkenkork und Bogenfutteral.



Experiement: Nach einem heissen Wasserbad lässt sich Birkenkork leicht biegen.
Die Photogrammetrie des Bogenfutterals stand mir über die ganze Projektdauer zu Verfügung.








DRAMATURGIE




Zwei Erzählebenen

Die Handlung verbindet nüchternes Wissen über das Bogenfutteral mit einer emotionalen Geschichte einer neolithischen Figur. Das Bogenfutteral, um das sich die Handlung dreht, ist stets im Zentrum. Dadurch werden die Kernaussagen ungestört übermittelt. Die Handlungsabfolgen der Figur finden hingegen meist kontextualisiert in einer räumlichen Umgebung statt.



Szenen über das Bogenfutteral vermitteln über charakteristische Besonderheiten. Beispielsweise hat Birkenkork ähnliche Vorzüge wie heutige Outdoor-Ausrüstungen. Es ist unter anderem leicht, wasserabweisend und formstabil und somit gut geeignet für Transport und Aufbewahrung von Pfeil und Bogen.



Die Figur hilft Betrachtenden sich den Umgang mit dem Objekt vorzustellen. Bis heute ist nicht bekannt ob die Pfeilbogenausrüstung einer Frau oder einem Mann gehört hat. Deswegen ist die Figur mysteriös und genderneutral dargestellt.





Handlung
Die Geschichte ermöglicht den Einstieg auch inmitten der Handlungsabfolge. Sie ist in drei Kapitel aufgeteilt, die je einen anderen Aspekt über das Bogenfutteral beleuchtet. Alle Kapitel durchlaufen eine Einführung, ein auslösendes Ereignis und einen Höhepunkt in der Schlusssequenz. Generell vermitteln sie vom Detail zum Allgemeinen. Diese inhaltliche und visuelle Abhandlung soll aufklärend wirken, weil offene Fragen schrittweise beantwortet werden.

Beispiel Kapitel 1:


Einführung: Zeit, Ort und Material

Auslösendes Ereignis: Etwas entsteht

Höhepunkt: Fertiges Bogenfutteral



Im Storyboard basiert die Handlungsabfolge der gesamten Animation auf prägnante Skizzen. In der Konzeptphase wurden diese stetig angepasst und diskutiert.

Kapitel 1: Birkenkork & Herstellung


Kapitel 2: Nutzen & Eigenschaften 


Kapitel 3: Verwendung & Verortung







Szenenwechsel und Kamerafahrten

Zeitbrüche und Szenenwechsel können Inhalte verdichten und können zum Mitdenken und Lückenfüllen anregen. Kurz, sie steigern die Aufmerksamkeit bei Betrachtenden. Die zweieinhalbminütige Animation beinhaltet 16 Szenen und 12 Kamerafahrten.


Kamerafahrten lenken den Blick...
...und verbinden Szenen.



Auch die Vermittlung kann unterstützt werden. 
Ohne Schnitte, zeigt die Kamerafahrt nachvollziehbar auf, dass es sich immer um das gleiche Objekt handelt.









GESTALTUNG





Stil

Wie Informationen aufgenommen werden, hängt auch von der Form der Vermittlung ab und nicht nur von den Inhalten. Beispielsweise kann der Gestaltungsstil schwierig erfassbare Inhalte auf das Wesentliche reduzieren oder offene Fragen bewusst zulassen. Komposition, Stil und Farbe können den Blick lenken und Inhalte hervorheben.

Bsp. skizzenhafte Auseinandersetzungen mit Komposition, Stil und Farbe



Anhand von 4 Schlüsselszenen habe ich verschiedene Gestaltungsstile ausprobiert.


Die finale Auswahl bestand aus einem flächigen vs. einem skizzenhaften Stil.



Der gewählte Stil ist...
… abstrahiert.
… farbig.
… klar lesbar.
… ansprechend.
… 2D und 3D kompatibel.
… schnell umsetzbar.

Skizzenhafte Bilder bieten sich besonders für eine reine 2D-Animation an.
Flächen lassen sich gut mit 3D-Objekten verbinden, sind schnell gezeichnet und lassen sich auch in After Effects kreieren.







Variantenbildnug

Die Vermittlung musste stets überprüft und angepasst werden. Besonders die Icon-Szene hatte ihre Tücken. Die zeitliche Begrenzung, die eine Animation mit sich bringt, war herausfordernd. Deswegen mussten interessante Aspekte der Konservierung, den Outdoor-Anforderungen weichen. Beispielsweise ist die antiseptische Eigenschaft von Birkenkork für die Aufbewahrung von Pfeil und Bogen nicht wesentlich.


Finale Icons


Varianten; Bogenfutteral mit Icons.





Farbe

Das erarbeitete Farbschema thematisiert die Jahreszeit, den Ort und die Stimmungslage. Während der Geschichte passt sich beispielsweise die Jahreszeit von frischen frühlingshaften Farbklängen zu kalten winterlichen Farbtönen an.





Auch die  dekontextualisierten Bogenfutteral-Szenen sind  farbkodiert.

Die Farbe nimmt Bezug auf die Neuwertigkeit des Bogenfutterals. Die hellen sandigen Töne wiederspiegeln das frische Birkenkork.


Das Rostrot nimmt die Farbe aus den vorigen herbstlichen Szenen auf (siehe unten). Das Bogenfutteral ist hier bereits in Gebrauch und nicht mehr Neu.



Farbstimmung Spätsommer – Herbst   |   Figur mit Gämse auf den Schultern.








ANIMATION




Animatic

In einem Animatic habe ich skizzenhafte Szenen animiert. Anhand des Animatics kann überprüft werden, ob die Handlungsabfolge logisch ist und wie lange die Animation dauert. Dazu können schwer animierbare Inhalte und Schnittstellen lokalisiert werden.



Timing vom Animatic und der finalen Version im Vergleich.





Umsetzung

Der Gestaltungsstil verbindet 2D- und 3D-Techniken. Dadurch kann die Technik an den Inhalt angepasst werden. Die Bilddateien habe ich im Zeichnungsprogramm Procreate entworfen und in Photoshop auf die Verwendung in After Effects vorbereitet. Das Bogenfutteral habe ich im open-source 3D-Programm Blender modelliert und animiert.



Die Mehrheit der Arbeit fand im Adobe Programm After Effects statt.

Wenige Szenen wurden in Procreate Frame für Frame animiert.



Arbeitsraum in Blender.


3D Modell in Blender   |   Bewegliche Gelenke der Birkenkorkstücke.









ZUSAMMENARBEIT




Musik und Geräusche 

In Zusammenarbeit mit ZHdK Filmmusik-Komposition-Studentinnen habe ich ein Soundkonzept erarbeitet. Die Master-Studentin Mirjam Schnedl (www.mirjam-skal.com) hat die Musik komponiert und die Bachelor Studentin Céline Fankhauser die Geräusche kreiert.
Die Musik verbindet unterschiedliche Szenen und Sequenzen mit stimmungsvollen Klängen. Die Geräusche lassen die Bilder und Inhalte zum Leben erwecken. Die Synergie war in jeder Hinsicht bereichernd und ich freue mich auf weitere Zusammenarbeit mit ihnen.





Zu dritt haben wir im Feinschliff die Musik und den Sound an die Animation angepasst.





Ausschnitt aus dem Soundkonzept.

Zwei Wochen vor Projektabgabe musste das Timing der Szenenabfolge fixiert sein. Infolgedessen konnten Céline und Mirjam Klänge auf die Bilder abstimmen.






Kooperationspartner

Im archäologischen Kontext sind erhaltene organische Objekte aus Birkenkork äusserst selten. Um die langfristige Konservierung von solchen Fundstücken sicherzustellen, haben Johanna Klügl und Giovanna Di Pietro Birkenkork charakterisiert und dessen Abbauprozesse untersucht. Nach langer Forschung haben sie herausgefunden wie das Bogenfutteral am besten konserviert wird. Ab Herbst wird das Bogenfutteral getrocknet und für die Ausstellung im Museum vorbereitet.

Geduldig haben die Professorin Giovanna Di Pietro und Doktorandin Johanna Klügl meine Fragen beantwortet und meine Arbeit inhaltlich unterstützt. Meinerseits ein grosses Dankeschön für die fruchtvolle Zusammenarbeit.



Kommunikationsskizzen








AUSBLICK




Ich freue mich meine Animation einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Gespannt blicke ich Rückmeldungen entgegen.  



Mögliche Form der Ausstellung.